Besprechung von Preißel/Stachmann ‘Git’
Da ich mich in das Versionsverwaltungssystem Git einarbeiten wollte, habe ich mir mal wieder ein gedrucktes Buch gekauft, obwohl es auch zahlreiche Online-Tutorien in deutscher oder englischer Sprache gibt. Für den Erstkontakt mit komplexen Technologien ziehe ich gedruckte Bücher weiterhin vor. Ich vermute, daß der Zwang, ohne hypertextuelle Verknüpfungen auszukommen und das Material deshalb in eine strikt sequentielle Form zu bringen, einen didaktischen Mehrwert per se erzeugt. Für den bezahle ich gerne etwas, fühle mich allerdings dementsprechend auch betrogen, wenn sich Druckwerke nur als mehr oder weniger unredigierte Internetausdrucke erweisen. Bei dem hier zu besprechenden Werk von René Preißel und Bjørn Stachmann kommen solche Gedanken erfreulicherweise nicht auf. 1
Der Untertitel deutet schon an, daß sich das Buch eher an Entwickler richtet, die im Team arbeiten. Allerdings ist es ausdrücklich für Personen geeignet, die noch nie mit Git gearbeitet haben. Die Einführung in die Grundlagen umfaßt ca. 100 Seiten, der Rest ist dann die Beschreibung möglicher Workflows für typische Aufgaben.
Git ist seinem Wesen nach ein kommandozeilenorientiertes Tool aus der Linux-Welt und die Befehle englischer Herkunft werden von deutschsprachigen Nutzern umstandslos ins Deutsche eingebaut. Solange eine solche Fachsprache den sprachökonomischen Bedürfnissen ihrer Sprecher dient, ist es sinnlos, so etwas unter ästhetischen Gesichtspunkten kritisieren zu wollen. Beim Erstkontakt hört sie sich aber enorm verschmutzt an und erschwert das Lernen. Den Autoren des vorliegenden Buches gelingt es sehr gut, diese Fachsprache über lesbare deutsche Sätze nach und nach einzuführen, was man gar nicht hoch genug schätzen kann. Sie schreiben halt wirklich ein Buch und montieren nicht einfach nur Texte.
Es ist hier sicher nicht nötig, Git selbst zu beschreiben, denn wer sich für Versionsverwaltungssysteme interessiert, wird bereits wissen, warum? Ich werde jedenfalls in Zukunft nicht nur Programmierprojekte, sondern auch Textdokumente, an denen ich ein länger dauerndes Interesse haben, mit Git verwalten. Ich kann kann mir gut vorstellen, daß es z. B. für Doktoranden außerordentlich nützlich ist. Man muß aber warnend darauf hinweisen, daß es vom Komplexitätsgrad her eher nicht für seltene Benutzer geeignet ist – insbesondere dann nicht, wenn diese nicht technikaffin sind. Wenn man aber z. B. bei der Langzeitarchivierung von Forschungsdaten das Git-Repositorium einer Dissertation erhält, wäre künftiger Forschung nicht nur die fertige Arbeit, sondern deren gesamte Entstehungsgeschichte zugänglich. Gerade in den Geisteswissenschaften, wo Ideologiekritik wichtig sein kann, wäre das eigentlich ziemlich nützlich, weil man dann nachvollziehen könnte, ob sich Argumente im Laufe der Zeit stabilisieren oder nur sprachlich so formatiert werden, daß sie Widersprüche effizient verschleiern.
Anmerkungen
1René Preißel und Bjørn Stachmann: Git. Dezentrale Versionsverwaltung im Team: Grundlagen und Workflows. 2. Aufl. Heidelberg: dpunkt.verlag, 2014. 275 S. ISBN 9783864901300.