Lukas Rotgans, Scilla (1709)

Vorbemerkung: Scilla von Lukas Rotgans (*1653 †1710) habe ich einmal im Niederländischunterricht bei drs. Rein Zondergeld gelesen – eine wirklich abseitige Lektüre.1 Rotgans verarbeitet hier die Episode um die unglücklich verliebte Scylla aus Ovids Metamorphosen. Das Anliegen war, die französische Klassik (classicisme) in die niederländische Sprache zu transportieren, aber Rotgans war kein sonderlich begabter Autor. Im Internet findet man daher auch nicht sehr viel über ihn; selbst der Artikel in der niederländischen Wikipedia enthält außer einigen biographischen Informationen nur eine kurze Werkliste, aber keine literarische Würdigung. Die folgende Inhaltsangabe habe ich damals für die anderen Kursteilnehmer verfertigt. Wer Interesse hat, kann sich bei der Universität Leiden den Volltext des Stücks zu Gemüte führen.

  • Minos, König von Kreta
  • Nizus, König von Megara
  • Ismene & Scilla, Töchter des Nizus
  • Fokus, Sohn des Königs Äacus von Önopia, Liebhaber von Ismene
  • Mentor, stellvertretender Kommandeur und Vertrauter Minos
  • Dorize, Vertraute von Scilla
  • Arsinoë, Vetraute von Ismene
  • Agénor, Hauptmann der Leibwache von Minos
  • Leibwache

Schauplatz ist das Zelt des Minos vor dem belagerten Megara.

Hintergrund: Der Sohn des Minos, Androgeos, ist bei Wettkämpfen in Athen ermordet worden. Im Laufe des kretischen Rachefeldzuges wird auch das mit Athen verbündete Megara (= Alcathoë) belagert. Scilla hat während der Kampfpausen von den Festungsmauern Megaras aus Minos beobachtet und sich dabei in ihn verliebt.

Vorlage: Ovid, Metamorphosen 8, 6-151

  1. Scilla hat Minos den Schild mit dem Abbild des Kriegsgottes Mars gebracht, an dem die Unbesiegbarkeit Megaras hängt. Noch bevor sie die Sache genau erklären kann, wird Minos herausgerufen. Dorize, auf der Suche nach Scilla, kommt und ist erstaunt, ihren Schützling dort zu treffen und berichtet von dem Aufruhr in Megara nach Entdeckung des Raubes. Scilla gesteht ihr ihre Liebe zu Minos. Unterdessen hat Mentor Megara eingenommen und preist Minos, der aber glaubt, dass ein durch den Verrat einer Frau errungener Sieg keine Ehre bringe. Das Gespräch kommt auf Ismene, die man bei der Einnahme des Palastes von Nizus entdeckt hat. Ismenes Schönheit ist weithin bekannt, aber Minos erwidert auf Mentors Insistieren hin, dass er der Rache wegen hier sein und sich nicht verlieben könne.
  2. Ismene und Arsinoë sind in Minos’ Zelt gebracht worden. Beide glauben, dass Scilla in dem allgemeinen Aufruhr ermordet worden ist. Sie wissen nicht, dass sie die Verräterin ist. Ismene antwortet erst Mentor, dann Minos schnippisch. Minos ordnet an, einen Edelmann aus Nizus’ Gefolge den Göttern zu opfern, da der Tod Androgeos’ mit Blut vergolten werden solle. Minos verlangt von Nizus jährlich je sieben junge Männer und Frauen als Futter für den Minotaurus. Nizus macht ihm Vorwürfe wegen dessen unehrenhafter Vorgehensweise. Der jedoch schwört, dass er nichts damit zu tun habe und bietet an, ihm den Schuldigen zu zeigen. Nizus bittet Minos, noch seiner Rachepflicht nachkommen zu dürfen und den Täter zu töten. Fokus bittet darum, ihm die Ausführung anzutragen. Daraufhin führt Mentor zum Entsetzen der Gefangenen Scilla herein. Minos bleibt allein mit ihr und Dorize und fragt nach dem Grund ihres Verrats. Scilla gesteht Minos ihre Liebe. Der antwortet kryptisch, sie werde schon sehen, wie die Liebe auf sein Gemüt wirke und verabschiedet sich. Dorize klärt Scilla auf, dass die kühle Antwort bedeute, dass ihre Liebe unerwidert bleiben werde.
  3. Mentor fragt Minos, ob er Scilla anstelle seiner Gattin Pasifaë zur Frau nehmen werde. Minos verneint dies unmissverständlich und sagt sogar, dass er sie hasse. Hingegen gesteht er, dass er nun doch in Ismene verliebt sei. Mentor weist darauf hin, dass Fokus sie durch seine Kriegstaten im Dienste Megaras zur Gegenliebe verpflichtet habe. Minos lässt Ismene kommen und bietet ihr an, seine Frau zu werden. Ismene fragt nach Pasifaë, aber Minos erwidert, er habe sie wegen ihres unkeuschen Lebenswandels längst verstoßen und würde sich nun endgültig von ihr trennen. Ismene verweist darauf, dass Fokus ihr Wort habe und sie nicht meineidig werden könne. Daraufhin stellt Minos sie vor die Wahl: entweder Fokus oder ihr Vater werden auf dem vorbereiteten Altar geopfert, und sie müsse die Wahl treffen – oder aber das Opfer durch eine Hochzeit mit ihm, Minos, abwenden. Ismene berichtet Nizus und Fokus von Minos’ Verlangen, woraufhin beide sich als Opfer anbieten. Scilla kommt und kündigt an, dass sie durch die Hochzeit mit Minos das Opfer verhindern werde. Nizus klärt sie über Minos’ Liebe zu Ismene auf. Daraufhin wird Ismene von ihrer Schwester bedroht, jene aber gibt ihrem Hass auf Minos erneut Ausdruck. Nachdem Scilla gegangen ist, kommt Agénor, um das Opfer zu holen. Fokus verabschiedet sich von Ismene, die aber verkündet, mit ihm in den Tod gehen zu wollen.
  4. Scilla verlangt von Minos ihren Lohn, aber der lehnt voller Verachtung ab. Schließlich wünscht sie sich Minos’ Tod und fordert von ihm dann sogar, sie zu töten. In einem Gespräch zwischen Minos und Nizus bietet ersterer an, Nizus wieder als König von Megara einzusetzen, wenn der ihm Ismene zur Frau gäbe. Nizus lehnt dies ab. Daraufhin fragt Minos Ismene nach ihrer Wahl. Sie bietet sich selbst als Opfer an. Fokus reizt Minos so sehr, dass der Kreter Fokus’ Opferung selbst anordnet. Minos begibt sich zur Beratschlagung mit den Göttern.
  5. Minos schickt Scilla endgültig fort, weil ihr fortgesetztes Liebesleiden die größte Strafe sei. Er beschließt, die Gefangenen zu verschonen, weil der Sieg nur durch Verrat errungen worden ist und ordnet an, Stiere zu opfern. Dann geht er zu Ismene, um sie zum Altar zu geleiten – als Fokus’ Brautführer, nicht als Bräutigam. Dorize kommt und überbringt die Nachricht von Scillas Selbstentleibung.

Anmerkungen

1Lukas Rotgans: Scilla. Treurspel (Klassieken uit de nederlandse letterkunde uitgegeven in opdracht van de Maatschappij der Nederlandse Letterkunde te Leiden 34). Hrsg. u. Anm. von L. Strengholt. Niederländisch. Zwolle: Tjeenk Willink 1966.

Lukas Rotgans, Scilla (1709) 1

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