Heiter bis göttlich (Ausstellung)
charismatischenObjekten gehört – also solche, die nicht nur das Publikum, sondern auch die eigentlich um Objektivität bemühten Wissenschaftler besonders stark ansprechen – hat es Ausstellungen mit spielerischen Themen in den letzten Jahren verhältnismäßig häufig gegeben. Die Fokussierung auf das Spannungsverhältnis von geistlichem Leben und Spiel ist dabei eine neue thematische Nuance, die sich aber bei ein bißchen Vertrautheit mit spielhistorischen Quellen nachgerade aufdrängt.
Der für mich bei weitem interessanteste Teil war der erste Raum, wo es um Spiele im Kloster ging, was durch zahlreiche archäologische Funde, unter anderem aus der Latrine des Freiburger Augustinereremitenklosters, 1 illustriert wurde. Die mathematikdidaktische Rhythmomachie wird mit einem Manuskript Abraham Ries’ und einer kommerziellen Nachbildung illustriert, da sich archäologische Funde offenbar weiterhin nicht ausmachen lassen. Überhaupt ist es eine Entdeckung der Ausstellung, daß es ähnliche Lernspiele auch zur theologischen Ausbildung gab. Die Zusammenstellung der monastischen Literatur zeigt, daß es keine verallgemeinerbare Haltung gegenüber dem Spielen gibt, wenn man einmal davon absieht, daß Glücksspiel fast immer abgelehnt wird. Aber da klösterliche Karrieren mitunter schon in Kindesalter begannen oder – wie im Fall des spielsüchtigen Lavanttaler Abtes Ulrich Pfinzing (1484–1530) – jemand von der Landesherrschaft als Abt eingesetzt werden konnte, der weder Priester noch Ordensmann war, ist schon theoretisch zu erwarten, das die Quellenbasis sehr viel breiter ist als dies heutige monastische Verhältnisse als Maßstab genommen vermuten ließen. Thomas von Aquin schätzte die Erholungswirkung des Spielens für den Einzelnen sehr, und in der Sozialarbeit tätige Orden brauchen Sportspiele auch schlicht zum Anfüttern ihrer Klientel. Tennis ist sogar im 12. Jahrhundert in Klöstern erfunden worden, wobei der Ball ursprünglich mit der flachen Hand über den Kreuzgang geschlagen wurde.
Im zweiten Teil geht es dann um religiöse Spiele in Form von Prozessionen, Musik und auch um Dramen, die mit den Schülern in den Klosterschulen eingeübt wurden. Mancherorten gab es die spätestens im 18. Jahrhundert verbotene Sitte, Kinderbischöfe
zu ernennen, die dann liturgische Handlungen simulierten. Auch hier ist es sehr lehrreich, etwas über die Varianz historischer Glaubenspraxis zu lernen, die häufig wenig mit dem zu tun hat, was Traditionalisten für ihren althergebrachten Glauben halten. Auch eine Erwähnung des medial sehr präsenten rockenden Abtes
Notker Wolf (z. Zt. Abtprimas der Benediktiner) darf nicht fehlen, aber im Kontext der Ausstellung wirkt das so wenig sensationell wie es das wohl auch tatsächlich nicht ist.
Im dritten Teil der Ausstellung geht es um die Darstellung der klösterlichen Welt in Spielen, sowohl Gesellschaftsspiele (z. B. Mönch ärgere dich nicht) wie auch Kinderspiele (z. B. Playmobil). Für die meisten Beispiele dürfte aber gelten, daß sie eigentlich weniger einen Rekurs auf geistliches Leben beabsichtigen, sondern eher populäre Topoi (finsteres Mittelalter
, geheimes Wissen
) für sich dienstbar machen.
Fazit: daß man der religiösen Seite des Spielens einmal in einer Ausstellung nachgeht, war eigentlich nachgerade überfällig. Es ist sehr zu begrüßen, daß das ziemlich junge Museum in Dalheim dafür einen geeigneten Rahmen bietet. Ebenso erfreulich ist, daß man einen richtigen Katalog verfertigt hat und nicht nur ein Begleitbuch. 2
Anmerkungen
1Matthias Untermann (Hrsg.): Die Latrine des Augustinereremiten-Klosters in Freiburg im Breisgau. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 31. Stuttgart: Konrad Theiss, 1995.
2Christiane Brehm, Helga Fabritius, Julia Hallenkamp-Lumpe, Clemens Kosch, Katrin Meder, Carolin Mischer, Stefanie Schnietz und Sina Schröder: Heiter bis göttlich. Die Kultur des Spiels im Kloster. Lindenberg i. Allgäu: Kunstverlag Josef Fink, 2013. 210 S. ISBN: 9783898708241.