W. F. Hermans’ „De donkere kamer van Damocles“


Vorbemerkung: Die folgende Inhaltsangabe von Hermans’ schier grandiosem Roman De donkere kamer van Damocles wurde für den Niederländischunterricht bei drs. Rein Zondergeld in Göttingen erstellt und an die Kursteilnehmer verteilt.1 Eine deutsche Übersetzung (Die Dunkelkammer des Damokles) ist erst 2003 erschienen, obwohl die Erstausgabe des Originals bereits von 1958 datiert. Insbesondere Freunden der spy novel sei die Lektüre ans Herz gelegt, denn dieses Buch hat John le Carré zu seinem Klassiker Der Spion, der aus der Kälte kam inspiriert, in dem der Agent Leamas ja ebenso über seinen wahren Auftrag getäuscht wird.2 Außerdem hat die Geschichte einen reale Vorlage.3

Henri Osewoudt ist ein Tabakhändler aus dem Leidener Vorort Voorschoten. Sein Vater wurde von seiner geistig verwirrten Mutter erschlagen; er wuchs dann bei seinem Onkel Bart Nauta auf und heiratete dessen sieben Jahre ältere, infertile Tochter Ria, um nach der Entlassung seiner Mutter diese zu sich zu nehmen und das Tabakgeschäft seines Vaters weiterzuführen – obwohl ihn sein Onkel studieren lassen wollte. Er ist geschlagen mit Minderwuchs, Sopranstimme, Frauengesicht und fehlendem Bartwuchs und muß deshalb Spöttereien ertragen.

Henri ist Anfang 20, als die Niederlande besetzt werden. Bei der Musterung ist er wegen seiner Größe durchgefallen. Am ersten Kriegstag kommt ein Leutnant namens Dorbeck in sein Geschäft. Dorbeck gleicht Henri wie ein eineiiger Zwilling mit Ausnahme der Haarfarbe und einer tiefen Stimme. Er hat sich bei der Musterung gestreckt, deswegen konnte er trotz fehlender Körperlänge Offizier werden. In der Folgezeit erteilt Dorbeck, der sich auch nach der Kapitulation und der Flucht von Regierung und Königshaus nicht geschlagen geben will, Henri immer wieder Aufträge, die vom Entwickeln von Filmen bis hin zu einem Mordanschlag reichen. Henri erledigt Dorbecks Aufträge – auch den Mord – ohne viel Nachfragen. Als Dorbeck dann nach wenigen Monaten spurlos verschwindet, spürt Henri eine tiefe Leere in seinem Leben, die sich auch auf seine Ehe mit Ria bezieht.

Erst 1944, als sich die deutsche Niederlage schon deutlich am Horizont abzeichnet, nimmt Dorbeck wieder Kontakt zu Henri auf und erteilt ihm neuerlich Aufträge. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Henri soll die aus England eingeschleuste, aber dillettantisch vorbereitete Agentin Elly Berkelbach Sprenkel verstecken, die aber spurlos verschwindet. Er lernt auf der Suche nach neuen Pässen die Widerstandsgruppe eines gewissen Labare kennen samt der untergetauchten Jüdin Mirjam Zettenbaum, die er schwängert. Seine Mutter und Ria werden verhaftet. Dorbeck beauftragt Henri mit einem weiteren Mord. Eine Begleiterin nimmt das Kind der Opfer in Obhut, wahrend Henri die Eltern ermordet. Als die Begleiterin verhaftet wird, weiß sich Henri nicht anders zu helfen, als das Kind in Amsterdam allein zurückzulassen.

Dann wird Henri auch verhaftet, wird aber von Unbekannten befreit, die später als deutsche Agenten identifiziert werden. Als er das Quartier von Labare erreicht, wird die ganze Gruppe aufgerollt. Die Deutschen erweisen sich als auffällig gut informiert über Henris Aktivitäten. Er verbringt Monate im Gefängnis, bevor er vom kriegsmüden SS-Mann Ebernuss befreit wird, der zuvor auch Mirjam zur Flucht verholfen hat, um Henri mit diesem Versprechen Aussagen abzupressen. Henri trifft Dorbeck, der ihm in Frauenkleidern die Flucht in die befreiten Südniederlande ermöglicht. Unterwegs erfährt er, daß Mirjam eine Totgeburt erlitten hat; und er bringt Ria um, die im Glauben, Henri sei tot, mittlerweile mit einen NSBer zusammengelebt hat.

Henri wird von der niederländischen Armee verhaftet. Zu seinem Erstaunen muß er feststellen, daß er einer der meistgesuchten Verräter ist. Alle Versuche, Dorbeck zu finden, schlagen fehl. Alle Personen, die ihn gesehen haben, sind tot und alle Fotos von ihm verdorben. Mirjam und Bart sind überhaupt die einzigen Überlebenden aus Henris Umgebung, aber Mirjam lebt unerreichbar in einem Kibbuz, und Bart ist nach KZ-Haft verwirrt. Obwohl die Ermittlungen sehr gewissenhaft geführt werden, reiten sie Henri nur immer tiefer hinein. Die vielen Toten in seiner Umgebung lassen ihn als Verräter erscheinen. Dazu kommen weitere fragwürdige Umstände: ein Mordopfer erweist sich als Widerstandskämpfer, und der Mord an Ria ist ohnedies kaum als politische Tat zu verkaufen. Der Psychiater seiner Mutter diagnostiziert Dorbeck als eine erbliche Wahnvorstellung. Schließlich wird Henri bei einem hysterischen Fluchtversuch erschossen.


Anmerkungen

1Willem Frederik Hermans: De donkere kamer van Damocles. Niederländisch. 8. Aufl. Amsterdam: G. A. van Oorschot 1966.

2John le Carré: The Spy Who Came in from the Cold. Englisch. London: Hodder and Stoughton 2000 [1963]. ISBN 0340513071, 219 S.

3Auke Kok: De verrader. Leven en dood van Anton van der Waals. Niederländisch. 4. Aufl. Amsterdam: De Bezige Bij 2005. ISBN 9023417364, 365 S.

W. F. Hermans' „De donkere kamer van Damocles“ 1

Ingram Braun

Archaeologist, web developer, proofreader

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