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Partiekommentar Bent Larsen – Boris Spasskij, Belgrad 1970, 0–1 in 17 Zügen

Die berühmte Partie, in der der damalige Weltmeister Boris Spasskij Bent Larsen am Spitzenbrett des Wettkampfes UdSSR gegen den Rest der Welt mit Schwarz in nur siebzehn Zügen in der nach Larsen selbst benannten Eröffnung schlug, wurde von mir am 25. Februar 2016 in der von Frauengroßmeisterin Tamara Klink geleiteten Trainingsgruppe des ESV Rot-Weiß Göttingen am Demonstrationsbrett vorgestellt. Hauptquelle waren die Varianten der beiden Kontrahenten aus dem Turnierbulletin, die sich in der Mega Database 2016 von Chessbase finden. Die Partie ist häufig kommentiert worden. In meinem Bücherschrank habe ich drei Bearbeitungen gefunden, von Conel Hugh O’Donel Alexander,1 Reuben Fine2 und Rolf Schwarz.3 Allerdings bieten nur Alexanders Kommentare einen gewissen Mehrwert zum Bulletin. Besonders bei Fine, der ja immerhin für kurze Zeit selbst mal als Anwärter auf den Weltmeisterthron galt, ist die Oberflächlichkeit seiner Anmerkungen (nicht nur in dieser Partie) ziemlich enttäuschend.

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Fine: „Der dänische Großmeister Larsen hat eine höchst kuriose Eröffnung, 1.b2–b3, kreiert. Von dem damaligen Weltmeister erhält er dafür einen gehörigen Nasenstüber.“ — Alexander: „Im Jahre 1969 wurde das ‚Turnier des Jahrhunderts‘ in Belgrad durchgeführt; ein Vier-Runden-Turnier an zehn Brettern mit der UdSSR gegen die übrige Welt, das von der UdSSR mit 20,5:19.5 gewonnen wurde. Für die UdSSR spielte Spassky als Weltmeister unangefochten am ersten Brett; aber es gab Diskussionen über die Rangfolge der ‚Übrigen‘. Ursprünglich war Fischer als Nr. 1 vorgesehen, aber er hatte im vorausgegangenem Jahr sehr wenig gespielt, und Larsen – mit einer Serie von großartigen Turniererfolgen hinter sich, protestierte. Wie schon zuvor erwähnt, begnügte sich Fischer mit dem zweiten Platz, obwohl er angeblich später gesagt haben soll, er könne sich nicht vorstellen, warum er zugestimmt habe. Larsen spielte am ersten Brett nicht schlecht. Er erzielte 1, 5:1,5 in seinen drei Spielen gegen Spassky und schlug Stein, als sich Spassky in der vierten Runde ausruhte. Aber Spasskys Sieg war viel überzeugender und vernichtender als Larsens; es war eine der verheerendsten Niederlagen, die einem erstklassigen Meister in vielen Jahren zugefügt wurde. Wenn man die Spiele von Spassky oder Fischer gegen Larsen betrachtet, drängt sich einem die Erkenntnis auf, daß, obwohl Larsen ein vorzüglicher Turnierspieler ist, etwas an seiner Spielweise nicht ganz und gar folgerichtig ist. Gegen einen normalen Großmeister kommt Larsen damit durch; aber auf der Ebene der Superklasse werden seine Schwächen erbarmungslos aufgedeckt.“ 1.b3 e5 2.Bb2 Nc6 3.c4 IB: Larsen hat 1.b3 nach 1972 kaum noch gespielt. In den späten Partien hat er entweder den Weißfelder ebenfalls fianchettiert oder nach e3 ohne c4 gespielt, um die Option Lb5 zu haben. Nach Jacobs & Tait würde d5 jetzt zu einer Art Sizilianischigel führen, der sich mit der üblichen Farbverteilung als sehr solide erwiesen hat. Allerdings kann Schwarz sich bei der Farbvertauschung einfach mit einer soliden Position zufriedengeben, ohne selbst etwas zu tun. Deshalb würden viele Weißspieler erst e3 spielen und c4 nur gegen bestimmte schwarze Aufbauten folgen lassen, z. B. gegen d6 (S. 51). — Alexander: „Neuerdings spielt Larsen e2–e3, gefolgt von Lb5, was besser sein mag – die Schwierigkeit, sich in dieser Stellung für den besten Zug zu entscheiden, führt natürlich zu den entsprechenden Experimenten.“ Nf6 Fine: Das Spiel ist frei und leicht. Es ist nicht klar, was Larsen mit seiner bizarren Eröffnung zu erreichen hofft. — IB: Hier macht es sich Fine wohl etwas zu einfach, da später auch andere Weltklassespieler in einzelnen Partien so gespielt haben (s. Partienliste, Kasparows Partien gegen Computer lasse ich weg). 4.Nf3 4.g3 d5 Larsen=:L IB: Allerdings wurde in den erwähnten Nachfolgern 4.e3 vorgezogen. Larsen hat damit nur ein halbes Jahr später in 22 Zügen gegen Portisch verloren. 4...e4 5.Nd4 Bc5 Fine: „Entwickelt wiederum mit Tempo.“ 6.Nxc6 6.e3? Bxd4 7.exd4 d5 L 6...dxc6 7.e3 Fine: Das Fianchetto ist natürlicher, aber in Antwort auf 7.g3 ist Ng4 allzu stark. Schwarz: 7.d4? Bb4+ 8.Nc3 e3 9.fxe3 IB: Nicht sofort verliert 9.f3 aber sicherlich will man das auch nicht gerne spielen. 9...Ne4-+ 7.Nc3 7...Bf5 Alexander: „Obwohl Larsen schnell und voller Selbstvertrauen spielte – nur zwei Minuten gegen Spasskys zehn – hat er ganz offensichtlich die Eröffnungsschlacht verloren. Schwarz hat eine ideale Position – die Stellung von Weiß ist verpfuscht.“ — Schwarz: „Damit ist d2-d4 verhindert, und Weiß muß ständig mit der Drohung Sf6–g4–e5 und Druck auf d3 rechnen. “ 8.Qc2 Qe7 9.Be2?! L 0-0-0 Schwarz: „Schwarz hat sich klassisch entwickelt; seine Figuren sind den weißen optisch überlegen.“ 10.f4?? L/ ? Spassky=:S Fine: „Nach nur zehn Zügen kämpft Weiß ums Überleben. “ — Alexander: „Die Zugfolge ist ein Beispiel für Larsens Überoptimismus – ein Vorteil gegen schwächere Spieler, ein fataler Fehler gegen Weltklassespieler.“ — Schwarz: „Damit will Weiß Sf6–g4–e5 verhindern, er gerät aber in unheilvollen Entwicklungsrückstand.“ 10.a3 L 10.Bxf6 Qxf6 11.Nc3 S 10.Nc3 Alexander — Schwarz: „Demgegenüber ist gegen.“ Rhe8! 11.0-0-0 Ng4 Mißtrauen angebracht. 10...Ng4! S IB: Fine schreibt „Droht, auf dem Damenflügel einzubrechen.“ Gemeint ist wohl Königsflügel. — Schwarz: „Dies schafft Opferdrohungen wie Lxe3, Txd2 und Dh4+.“ 11.g3 Alexander: „Der Zeitverbrauch ist bezeichnend. Weiß brauchte zwölf Minuten, Schwarz neunzehn für die ersten zehn Züge. Für Zug 11 benötigte Weiß fünfzehn Minuten.“ 11.0-0 Qh4 12.h3 h5 L 11.Bxg4 Qh4+ L 11...h5 Alexander: „Achtzehn Minuten für einen guten Angriffszug.“ 11...Rxd2 12.Nxd2 Nxe3 13.Qc3 Rd8 — Spassky nach Schwarz: „Schwarz hat einen schrecklichen Angriff. Allerdings ist ein Gewinn nicht leicht zu finden, und so wählte ich den solideren Textzug.“ — IB: 14.a3 Ng2+ 15.Kf1 Bh3 12.h3 12.Nc3 Rxd2! — Alexander: Fine gibt 12...h4 13.Bxg4 Bxg4 14.Qxe4 Qd7 15.d4 hxg3 an. — IB: Das gewinnt zwar auch, aber Spasskys Variante ist stärker. 13.Qxd2 IB: 13.Kxd2 Bxe3+ 14.Ke1 Bf2+ Zugumstellung 13...Bxe3 14.Qc2 14.Qd1 Nf2 0–1
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WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Larsen,B2670Spassky,B26500–11970A01URS-World2.1
Larsen,B-Portisch,L26400–11970A01Siegen ol (Men) qual-D5
Laznicka,V2679Azarov,S2617½–½2014A01World op 42nd7
Bauer,C2658Cornette,M25331–02014A01FRA-ch 89th11
Granda Zuniga,J2652Vocaturo,D25721–02015A01Benasque op 35th10
Radjabov,T2628Dreev,A26730–12002A01FIDE World Cup-B4
Bauer,C2628Mazur,S24261–02014A01Metz op 32nd5
Petrosian,T2620Balashov,Y25901–01978A01URS
Smyslov,V2620Grigorian,K24301–01971A01URS-ch397
Berkes,F2619Navara,D26630–12005A01EU-chT (Men) 15th8.1
Hickl,J2601Mueller,K2517½–½2002A01AUT-chT 01025
Ibragimov,I2555Iskusnyh,S24401–01997A01RUS-Cup57

Die in den Kommentaren erwähnte Partie Larsen gegen Portisch bei der Schacholympiade in Siegen 1970 findet sich in einem Turnierbuch kommentiert,4 allerdings noch in der in den angelsächsischen Ländern früher üblichen beschreibenden Notation. In einem neueren Theoriebuch zur Larsen-Eröffnung ist die Partie nicht mehr enthalten,5 wohl, weil 3.c4 mittlerweile irrelevant ist.


Anmerkungen

1Conel Hugh O’Donel Alexander. Spassky–Fischer. Das größte Schach-Duell der Geschichte. Bearb. von Günter Hehemann. Aus dem Englischen übers. von Peter Braunstein, Günter Hehemann, Werner Gronwald, Ursula Pommer, Leni Sobez und Jutta von Sonnenberg. München: Wilhelm Heyne Verlag, 1972. 267 S., S. 100–103.

2Reuben Fine. Die größten Schachpartien der Welt. Von Morphy bis Fischer und Karpov. Aus dem Englischen übers. von Günter Hehemann und Thomas Lochte. 2. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 1981. 365 S. ISBN: 3-453-41320-2, S. 314–315.

3Rolf Schwarz. Die Eröffnung b2–b3. Nimzowitsch-Larsen-Eröffnung. Heidelberg: Schachverlag Rudi Schmaus, 1987. 154 S., S. 20.

4Raymond D. Keene und David N. L. Levy. Siegen Chess Olympiad. September 5th to September 26th 1970. Englisch. Sutton Coldfield: Chess Ltd., o.J. 249 S., S. 79–81.

5Byron Jacobs und Jonathan Tait. Nimzo-Larsen-Attack. Englisch. London: Everyman Chess, 2001. 192 S. ISBN: 1 85744 286 5.

Partiekommentar Bent Larsen – Boris Spasskij, Belgrad 1970, 0–1 in 17 Zügen 1

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