Galgen, Rad und Scheiterhaufen (Ausstellung)

Die vom Neanderthalmuseum Mettmann organisierte Ausstellung Galgen, Rad und Scheiterhaufen. Einblicke in Orte des Grauens war bis zum 29. 7. 2012 auch im Museum für Sepulkralkultur Kassel zu sehen. Gleich zu Beginn der Ausstellung trifft man auf eine Karte mit allen in Kassel nachweisbaren Richtstätten. Da sie nicht im Begleitheft1 enthalten ist, kann man nur hoffen, daß sie mit den entsprechenden Nachweisen in einer regionalgeschichtlichen Publikation erscheint.

Man sollte das Wort Einblicke im Untertitel ernst nehmen, denn um einen umfassenden Überblick über die Geschichte des Strafvollzugs zu geben, ist sie zu klein. Zudem ist sie in hohem Maße durch das von Jost Auler systematisierte Interesse an einer Richstättenarchäologie motiviert. Den Verdacht, daß Mittelalter- und Neuzeitarchäologie häufig einen eher illustrativen Charakter hat, kann die hauptsächlich von Archäologen verantwortete Ausstellung dann auch nicht zwingend widerlegen. Der lokalgeschichtliche Aspekt, der in diesen Epochen häufig eine große Rolle spielt, geht in einer systematischen Darstellung natürlich unter. Sie ist eine im Detail gleichermaßen informative wie unterhaltstame Ausstellung, deren Besuch sich unbedingt gelohnt hat. Man erhält anhand von Archivalien, musealen Objekten und Ausgrabungsfunden einen guten Einblick in die Tätigkeit der Henker. Das die Abgrenzung der Exponate zur bloßen Folter nicht immer durchgehalten worden ist, ist nicht weiter schlimm, denn letztlich dürften der Todesstrafe Eigenschaften von Folter immanent sein. Jedenfalls übersteigt die Möglichkeit einer humanen Todesstrafe meine Phantasie bei weitem.

Ihre Schwäche weist die Ausstellung da auf, wo sie sich über die Detailschilderung hinausgehend zu moralischen Statements aufschwingt, weil sie dies auf eine für eine historische Ausstellung unbefriedigend ahistorische Weise tut. Gleich zu Beginn wird man nämlich darauf hingewiesen, daß die Todesstrafe ethisch obsolet ist und daß Resozialisierung im Mittelalter keine Rolle spielte. Dabei wäre natürlich zu fragen, inwieweit die methodologischen und institutionellen Mittel für sozialtherapeutische Maßnahmen anstelle bloßer Strafe damals überhaupt vorgelegen haben? Dasselbe Argument wäre auch für die Opfer zu beachten, die die Verbrechensfolgen ohne das heutige Auffangnetz aus kurativer Medizin, Versicherungen, Sozialleistungen und dergleichen schultern mussten. Hier fehlt im Team jemand, der sich mit der Strafrechtsgeschichte der Neuzeit auskennt, um darzustellen, warum man über die Jahrhunderte zur Ablehnung der Todesstrafe gelangt ist und wie man Alternativen langsam entwickelt hat. Schade, denn gerade das wäre für manchen Besucher sicher lehrreich gewesen. Ein bißchen arg moralinsauer wird es, wenn mit dem Hinweis auf den noch heute existierenden Gewaltvoyeurismus ein Asterixheft neben allerlei Spannungsliteratur dargeboten wird. Spannung als das Verfolgen der Wirkungen einer Ursache wird in der Literaturwissenschaft aber von der Neugier deutlich unterschieden,2 so daß man es hier mit zwei unterschiedlichen Phänomenen zu tun hat.


Anmerkungen

1Bärbel Auffermann und Jan Graefe (Bearb.): Galgen, Rad und Scheiterhaufen. Einblicke in Orte des Grauens. Mettmann: Stiftung Neanderthal Museum, 2010. 96 S. ISBN 9783935624190.

2Siehe Lemma Spannung in Ansgar Nünning (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen
– Grundbegriffe
. 2. Aufl. Stuttgart und Weimar: Metzler, 2001. 706 S. ISBN 3476016927.

Galgen, Rad und Scheiterhaufen (Ausstellung) 1

Ingram Braun

Archaeologist, web developer, proofreader

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