Hildesheim im Mittelalter – Ausstellung anläßlich des 1200jährigen Gründungsjubiläums


Das Roemer- und Pelizäus-Museum Hildesheim macht immer wieder mit sehr interessanten Sonderaustellungen auf sich aufmerksam; die Austellungen über die Erforschung eines Archimedes-Palimpsests und über die eigene Sammlungsgeschichte waren hier schon Thema und eine über nicht nur ägyptische Mumien ist für nächstes Jahr angekündigt. Noch bis zum 4. Oktober 2015 ist Hildesheim im Mittelalter. Die Wurzeln der Rose zu sehen.1 Es ist nicht das erstemal, daß das Museum das lokale Mittelalter thematisiert, denn 1993 hatte man dies mit der Ausstellung Bischof Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen schon einmal getan.2 Während aber damals zusammen mit dem Dom- und Diözesanmuseum Hildesheim die ottonische Epoche in Niedersachsen umfassend dargestellt und in einem schwergewichtigen Werk mit Aufsatz- und Katalogband verewigt wurde, wird diesesmal in überschaubarer Weise die gesamte mittelalterliche Entwicklung von Hildesheim abgehandelt. Dazu gibt es preisgünstiges und lesefreundliches Begleitbuch. Der Untertitel bezieht sich auf den für die Identitätsstiftung wichtigen, angeblich 1000jährigen Rosenstock im Dom. Zur Infrastruktur des Stadtjubiläums gehören auch 15 sogenannte RosenOrte als Anlaufpunkte im Stadtbild und die Austellung Stadt in Licht und Schatten – Historische Blicke auf Hildesheim im Stadtmuseum

Die Gründung Hildesheims ist eine Folge der um die 30 Jahre währenden Kriege Karls des Großen gegen die heidnischen Sachsen. Nach deren Unterwerfung und Konversion zum Christentum war es nötig, den sächsischen Bereich mit einer kirchlichen Infrastruktur zu versehen. Zu diesem Zweck wurden die Bistümer Paderborn, Münster, Osnabrück, Hildesheim, Bremen/Hamburg und Halberstadt gegründet, dazu noch mehrere wichtige Klöster (u. a. Corvey, Gandersheim und Quedlinburg). Karls Sohn Ludwig der Fromme gründete 815 das Bistum Hildesheim an einer Furt der Innerste. Zwar gibt es spärliche Spuren älterer sächsischer Siedlungen im Stadtgebiet, von denen auch der Ortsname (Heim des Hilduin) stammt, aber die Stadt hat sich erst um den Dom herum gebildet und nicht anders herum.

Erfreulich ist, daß in den letzten Jahren in Hildesheim einige archäologische Untersuchungen stattfinden konnten. Insbesondere auch im Dom selbst, der wegen Sanierungen zeitweilig gesperrt war. Unter den Altfunden aus der Altstadt, die in der Sammlung des Museums aufbeahrt werden, befinden sich auch zwei Tric-Trac-Spielsteine mit Reliefbild aus Walroßzahn, die im Katalog der Salier-Ausstellung nicht erwähnt werden.3

Für das Problem, mittelalterliches Textmaterial darzustellen, hat man eine sehr gute Lösung gefunden. Man kann sich unter sogenannte Soundduschen setzen, die die Hildesheimer Stadtstatuten bzw. eine Urkunde von 1412 betreffend die Tätigkeit der Schlachter paragraphenweise alternierend in Mittel- und Neuhochdeutsch verlesen. Eigentlich stören Hintergrundgeräusche das kontemplative Betrachten einer Ausstellung empfindlich. Regelmäßige Leser meiner Seite werden sich erinnern, daß mich eine leise Hintergrundmusik in der Münzsammlung des Landesmuseums Hannover einmal beträchtlich gestört hat. Bei diesen Soundduschen handelt es sich offenbar um eine Technik, Schallwellen so zu richten, daß sie nur an erwünschten Punkten deutlich gehört werden. Das hat in Hildesheim prima funktioniert und ist sicherlich besser, als große Textmassen an Tafeln zu pinnen.

Die Sonderausstellungsfläche in Hildesheim ist nicht sehr groß, trotzdem weist diese Ausstellung eine sehr hohe Informationsdichte auf. Ich kann einen Besuch allen Mittelalterinteressierten nur empfehlen.


Anmerkungen

1Regine Schulz, Karl Bernhard Kruse, Markus C. Blaich, Ulrich Knufinke (Hgg.): Hildesheim im Mittelalter. Die Wurzeln der Rose. Begleitbuch zur Ausstellung im Roemer- und Pelizäus-Museum Hildesheim 29. März – 4. Oktober 2015. Hildesheim: Gebrüder Gerstenberg GmbH & Co. KG, 2015. 206 S. ISBN: 9783806787955.

2Michael Brandt, Arne Eggebrecht (Hgg.): Bischof Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog der Ausstellung Hildesheim 1993 (2 Bände) . Hildesheim, Mainz am Rhein: Bernward Verlag/Verlag Philipp von Zabern, 1993. 524 + 645 S. ISBN: 3805315678.

3Antje Kluge-Pinsker: Schachspiel und Tric-Trac. Zeugnisse mittelalterlicher Spielfreude aus salischer Zeit. Publikationen zur Austellung Die Salier und ihr Reich veranstaltet vom Land Rheinland-Pfalz in Speyer 1991 (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Monographien Bd. 30). Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag, 1991. 223 S. ISBN: 3799541381.

Hildesheim im Mittelalter – Ausstellung anläßlich des 1200jährigen Gründungsjubiläums 1

Ingram Braun

Archaeologist, web developer, proofreader

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