Endrunde der Deutschen Amateurmeisterschaft 2018

Zuletzt durfte ich ja schildern, wie ich mich etwas überraschend in der Kasseler Vorrunde der Deutschen Amateurmeisterschaft für das Finale in der zweithöchsten Gruppe B qualifiziert hatte. Erfreulicherweise hatten sich auch meine Schüler Adrian und Joshua Hoke und ihr Vater Christoph Homann (alle E-Gruppe) qualifiziert, so daß die ganze Trainingsgruppe in Leipzig auflaufen konnte, die numehr auch geschlossen der Schachabteilung des ESV Rot-Weiß Göttingen angehört.

Da ohnehin eine Übernachtung vor der ersten Runde nötig war, nahm ich mir die Zeit, das recht große Stadtgeschichtliche Museum im Alten Rathaus zu besuchen. Es hätte gerne ein bißchen mehr Archäologie dabei sein dürfen, aber die sehr lebendig gestalteten Gesichter in den Reformatorenporträts von Lucas Cranach d. J. sollte man sich unbedingt mal aus unmittelbarer Nähe betrachten. Wirklich atemberaubend! Ziemlich überrascht war ich, plötzlich vor dem bekannten Gemälde zu stehen, das den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich in Gefangenschaft beim Schachspiel mit einem spanischen Bewacher zeigt. Das hatte ich gar nicht in Leipzig vermutet. Des Rätsels Lösung: Es gibt ein zweites Exemplar im Schlossmuseum Gotha.

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Das Leipziger Exemplar: Jan Cornelisz Vermeyen zugeschrieben, Öl auf Holz, 91 × 113 cm, ca. 1548, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, CC BY-NC-SA 3.0 DE.

Im Turnier, das wie auch die Vorrunden nach fünf Runden Schweizer System gespielt wird, mit 90 Minuten für 40 Züge´plus 15 Minuten für den Rest plus 30 Sekunden Bonus vom ersten Zug an, war ich in der unteren Hälfte und bekam mit Christian Klaus vom SV Breitenworbis gleich den Dritten der Setzliste. Das erwies sich später als günstig, weil ich damit eine sehr gute Wertung bekam. Allerdings wählte ich eine schlappe Variante und stand nach einer Unaufmerksamkeit den größten Teil der Partie über schlecht bis auf Verlust. Erst im Turmendspiel gelang es mir, ins Remis zu entfleuchen.

In der zweiten Runde war dann mit dem starken Uwe Töllner (SF Barsinghausen) ein anderer Niedersachse mein Gegner. Ich konnte seinen Angrff abwehren und gegen die kompromittierte weiße Stellung einen schönen Schwarzsieg einfahren.

Als ich in der dritten Runde Thomas Wille von der Velberter Schachgeselschaft, der in der Vorrunde noch vor mir gelegen hatte, in einer Positionspartie ohne wesentliche taktische Momente schlug, spielte ich gänzlich unvermutet plötzlich um die Preise mit.

Aber vor den Preisen lagen immer noch zwei schwere Partien. Der vereinslose Kölner Matthias Peter Niesel, früher mal Zweitligaspieler, forderte mir einiges an Verteidigungskünsten ab.

Nach vier ausgekämpften Partien verflachte die letzte dann relativ schnell. Marc Duhn (Verein Segeberger SF) war eigentlich nur Letzter der Setzliste, spielte aber ein hervorragendes Turnier. Wegen unserer guten Wertung konnten wir beide uns ausrechnen, bei einem Remis unter den Preisträgern zu sein, weswegen keiner Lust hatte, ein ziemlich remisliches Endspiel zu kneten

Am Ende reichte es mit dem vierten Platz zu einem Preis wie schon bei meiner einzigen Finalteilnahme 2009, damals aber noch in der C-Gruppe. 3½ Punkte gegen einen 2000er Schnitt, DWZ-Allzeithoch (2042) – viel besser hätte es nicht laufen können, zumal mir eine so hohe Platzierung in den schwächer besetzten Vorrunden noch nie gelungen ist. Auch Joshua kam in seiner Gruppe als siebter noch auf den letzten Preisrang. Die Wartezeit bis zur Abschlußgala mit der Siegerehrung und DSB-Präsident Ullrich Krause vertrieb ich mir mit einem Vortrag von Dr. Michael Negele, der sehr interessante Früchte jahrelanger Forschungen zum deutschen Langzeitweltmeister Emanuel Lasker vortrug, dessen Geburtstag sich heuer zum 150. Mal jährt. Adrian, Joshua und Christoph nahmen unterdessen an einer Simultanvorstellung des Leipziger Großmeisters Lothar Vogt teil. Adrian konnte dabei ein Unentschieden erreichen.

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Großmeister Lothar Vogt am Brett von Adrian Hoke, der ihm ein Remis abnimmt; dahinter sein Bruder Joshua.
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Großmeister Lothar Vogt am Brett von Christoph Homann.

Nachdem mich meine Studien zur Geschichte des Dominospiels in die Franzosenzeit (1794–1815) geführt hatten, ließ ich den Ausflug nach Leipzig mit einem Besuch des Völkerschlachtdenkmals ausklingen. Dieser 91 m hohe Monumentalbau wurde zur Hundertjahrfeier der sogenannten Völkerschlacht errichtet, bei der im Oktober 1813 fast 600.000 Soldaten kämpften und nach der Niederlage Napoleons dessen Machtambitionen in Deutschland beendeten. Da man mir im ersten Semester gesagt hatte, daß man sich Geländedenkmale erlaufen muß, ignorierte ich den Fahrstuhl, der bis zum oberen Umgang führt, und stapfte alle 500 Treppenstufen hoch. Ein sinnvoller Abschluß nach tagelangem Sitzen! Während meines Ausfluges hatte es unter den Funktionären offenbar Streit gegeben. Der DSB verkündete in einer recht kurz angebundenen Pressemitteilung, daß der DSAM-Beauftragte Dr. Dirk Jordan wegen Differenzen mit dem Präsidenten zurückgetreten sei. Die Turnierserie soll aber weiter bestehen bleiben.

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Das Völkerschlachtdenkmal, leider im Gegenlicht.
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Eine der vier Tugenden über den Totenwächtern.
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Blick nach Nordosten von der Spitze.

Ingram Braun

Archaeologist, web developer, proofreader

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